Olga Tokarczuk und Peter Handke haben den Literaturnobelpreis erhalten. Der Preis für 2018 an die Polin wurde gleichzeitig mit dem Preis 2019 an den Österreicher bekannt gegeben, da die Verleihung im vergangenen Jahr wegen eines Skandals verschoben wurde. Beide Preisträger sind in der Öffentlichkeit umstritten, was auch an den Kommentaren in der Presse deutlich wird.
Dagens Nyheter: Tokarczuk entlarvt moderne Propaganda Olga Tokarczuk ist
der Inbegriff dessen, was jeder rechte Nationalist hasst, erklärt
Schwedens liberale Tageszeitung:
„Sie ist Feministin, politisch grün
engagiert und sie hebt Polens multiethnische und nicht zuletzt jüdische
Geschichte hervor. Vertreter der PiS haben sie als 'Verräterin'
gebrandmarkt. Und jetzt erhält sie den Literaturnobelpreis, drei Tage
bevor die Polen zur Wahl gehen. ... Es sagt etwas über die Entwicklung
in Polen aus, wenn 30 Jahre nach dem Fall des Kommunismus der Nobelpreis
an eine politische Dissidentin geht. In einem Interview mit unserer
Zeitung zieht sie selbst Parallelen zwischen dem Polen von damals und
heute. Während des Kommunismus wussten alle, dass im Fernsehen nur Lügen
zu sehen waren. Jetzt ist es schlimmer. Die Propaganda ist cleverer
geworden.“
wPolityce: Eine Fälscherin der polnischen Geschichte Mit
Empörung reagiert das nationalistische Onlineportal auf den Preis für
Tokarczuk:
„So ein Bild von Polen gefällt der Welt! So eines wird
beworben und mit den höchsten Preisen ausgezeichnet. Der Nobelpreis für
Olga Tokarczuk reiht sich in diesen Trend ein. Mit einem internationalen
Mandat wird sie unsere Geschichte noch bequemer umschreiben und Polen
als Land der Kolonialherren, Sklavenhalter und Judenmörder darstellen
können. ... Linke Künstler sind heute angesagt. Die Einbettung von
Kreativität und sozialer Aktivität in einen anti-konservativen, linken
oder feministischen Trend weitet sich immer mehr aus. Die Kunst- und
Literaturwelt hat [nach diesem Trend] die Aufgabe, Einstellungen zu
formen, eine neue Welt zu zeigen, Aktionen anzuregen. Je linker die
Botschaft, desto einfacher wird es, eine neue Ordnung aufzubauen.“
Die
Presse: Verdienter Preis für einen Jahrhundert-Dichter Trotz seiner
Parteinahme für Serbien in den Jugoslawien-Kriegen hat Peter Handke den
Nobelpreis verdient, urteilt Österreichs liberal-konservative
Tageszeitung:
„Sollte ein hervorragender Dichter, der sich aus Sicht
politisch Korrekter zum politisch nützlichen Idioten von politisch Bösen
macht, auch im Reich der Poesie eine Persona non grata sein? Das wäre
ein beschränktes Reich der Dichtung. ... Einige von Peter Handkes
vielen, vielfältigen, erlesenen Werken zählen längst zur Weltliteratur,
er ist darin eine ganz eigene Stimme. Sie scheint von Dauer zu sein.
Natürlich war es traurig, dass sich dieser Dichter im Dickicht des
Balkans verirrt hat, doch das sollte kein ausreichender Ausschlussgrund
für eine Altenehrung in Stockholm sein. ... Peter Handke hat den Preis
verdient, er ist zumindest ein halber Jahrhundert-Dichter.“
La
Stampa: Mit der Wahl Handkes verrät die Jury Alfred NobelAls
historischen Fehler bezeichnet hingegen Kolumnist Gianni Riotta in
Italiens liberaler Tageszeitunhg.
„Sie hat die Absichten des Gründers
verraten, indem sie sich über den Skandal der militanten,
propagandistischen, eitlen Unterstützung hinwegsetzte, mit der Peter
Handke sich Ende des vergangenen Jahrhunderts auf die Seite des
Kriegsverbrechers Slobodan Milošević stellte. ... Handke leugnete die
rücksichtslose ethnische Säuberung der serbischen Milizen und trug die
Kleidung der Henker. ... 1996, als Tausende von Menschen zwischen
Bosnien und dem Kosovo Höllenpein erlitten, schwafelte der
Schriftsteller in der Süddeutschen Zeitung etwas von einem angeblichen
Komplott 'der internationalen Presse', das darauf abziele, 'ihren Lesern
die Serben als schlecht und die Muslime als ewige Gute' zu verkaufen.“
Quelle: eurotopics Presseschau/bpb/ds/11.10.2019
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