In seinen letzten Amtstagen sorgt US-Präsident Trump für neuen Furor. Laut Medienberichten forderte er in einem Telefonat mit dem Staatssekretär von Georgia die nachträgliche Änderung des Wahlergebnisses der Präsidentschaftswahl. Auch im Vorfeld der Stichwahlen um zwei Senatssitze in dem Bundesstaat sprach Trump von Wahlbetrug. Kommentatoren analysieren sein Verhalten.
RZECZPOSPOLITA:Präsident überschattet die eigenen Erfolge Trump
beschädigt sein Image auf den letzten Metern, findet Polens
liberal-konservative Tageszeitung „Donald Trump hat in den vier Jahren
im Weißen Haus viele Fehler gemacht, aber er hatte auch Erfolge, die in
die Geschichte eingehen werden, wie etwa den Beginn einer Politik zur
Einschränkung von Chinas Macht.
"... Der Stil, in dem er seine Amtszeit
beendet, kann diese Erfolge jedoch überschatten. Jeder der 88 Millionen
Menschen, die dem Twitter-Account des Präsidenten folgen, weiß, dass er
seine Wahlniederlage nie anerkannt hat. In den zwei Monaten seitdem gab
es keinen Tag, an dem er nicht auf mutmaßliche Betrugsfälle bei der
Auszählung von Stimmen hingewiesen oder eine Neuwahl in einem Staat
gefordert hat.“
LA VANGUARDIA: Furcht vor dem
Gefängnis
Eine schlichte Erklärung für das Verhalten des scheidenden
Amtsträgers hat Chefredakteur Jordi Juan in Spaniens links-liberaler
Tageszeitung parat:
„Sobald Donald Trump das Weiße Haus verlässt,
erwartet ihn eine lange Liste an Gerichtsverfahren wegen
Steuerhinterziehung, Behinderung der Justiz und gar wegen versuchter
Vergewaltigung. Ganz zu schweigen von jenen Anklagen, die erhoben werden
können, sobald er nicht mehr das Amt des US-Präsident bekleidet. Kein
Zweifel: Trump kann im Gefängnis landen. Und möglicherweise erklärt
dieser Umstand die starre Haltung, seine Wahlniederlage abzustreiten,
seine Twitter-Fans zum Widerstand anzustacheln und hohe Beamte
einzuschüchtern, wie er es mit dem Staatssekretär von Georgia tat.“
Český
rozhlas: Abgang als politischer Gangster Trumps telefonische Bemühungen,
sein Wahlergebnis in Georgia doch noch zu wenden, sind für den
öffentlich-rechtlichen Hörfunksender Tschechiens der Höhepunkt eines
"Putschversuchs"
„Von Anfang an hatte Trump keine Hinweise auf eine groß
angelegte Verschwörung der Demokraten. ... Während des von der
Washington Post veröffentlichten einstündigen Telefongesprächs klingt
Trump manchmal wie ein Gangster, manchmal wie ein verletztes Kind und
ein bisschen wie ein Fall für den Psychiater, der ständig viele Male
widerlegte Fehlinformationen über angeblichen weit verbreiteten Betrug
wiederholt. In einer normalen Demokratie müsste der Präsident
zurücktreten oder in einem Amtsenthebungsverfahren erneut verklagt
werden. Das wäre nicht nur eine reine Formalität: Der Senat könnte Trump
ein für alle Mal die Möglichkeit nehmen, erneut für das Amt des
Präsidenten zu kandidieren.“
SPOTMEDIA: Die Geister sollten sich
besser scheiden Der Politologe Valentin Naumescu macht sich auf Rumäniens
Onlineportal Gedanken darüber, wie sich die politische Spaltung in den
USA weiterentwickeln wird:
„Es ist möglich, dass die Republikaner und
Demokraten - seit 170 Jahren die Säulen der US-Demokratie - sich jeweils
entlang einer moderaten und eine radikalen Linie spalten. ... Am besten
wäre es, wenn die Moderaten bleiben und die Radikalen gehen: Also eine
Progressive (Sozialistische) Partei mit Bernie & Co. und den
Gleichmacherei-Hitzköpfen auf der linken Seite und eine Nationalistische
(Konservative) Partei mit den Trumpisten und der ganzen Fauna von
Nationalisten, Verschwörungstheoretikern und Bigotten auf der
rechtsextremen Seite. Das würde eine willkommene Klarheit für Amerika
und für alle freiheitlichen Demokratien der Welt bringen. Dies wäre die
Rettung für das liberale, moderate Zentrum.“
Quelle: eurotopics Presseschau/Bpb/ds/06.01.2021
|