US-Präsident Joe Biden hat in einer Grundsatzrede im Außenministerium seine außenpolitischen Schwerpunkte skizziert. Anders als sein Vorgänger sprach er sich für eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Verbündeten der USA aus. Mahnende Worte sendete er unter anderem nach Moskau. Kommentatoren loben seine Ankündigungen, vermissen jedoch konkrete Pläne.
wPOLITYCE: Mit
eigenen Problemen genug zu tun. Sollte sich die EU erhofft haben, dass
die USA unter Biden wieder zu einem starken außenpolitischen Partner
werden, wurde sie enttäuscht, meint Polens regierungsnahes
Onlineportal:
„Biden will sich vor allem mit den Problemen der USA
befassen. Es geht um den Wiederaufbau des eigenen Potenzials, der
eigenen Chancen, der eigenen Wettbewerbsfähigkeit und Stärke. ... Die
Verbündeten müssen mehr Verantwortung übernehmen, das wird ihre neue
Aufgabe sein. Aber nicht, weil sich die Art der Allianzen ändert,
sondern einfach, weil die Vereinigten Staaten nicht in der Lage sein
werden, für die Probleme in so vielen Teilen der Welt Verantwortung zu
tragen. ... In einigen Fällen, beispielsweise in Bezug auf Russland oder
den Putsch in Myanmar, verdeckt die Rhetorik schon jetzt den Mangel an
wirklichen Maßnahmen.“
Lidové noviny: Kissinger hätte es nicht besser
sagen können. Tschechiens konservative Tageszeitung atmet nach der
außenpolitischen Grundsatzrede Joe Bidens auf:
„Der Begriff Realpolitk
wird mit politischen Dinosauriern vom Typ Henry Kissingers verbunden.
Und auch Joe Bidens außenpolitische Vision ist absolute Realpolitik.
Namentlich nach der Ära der emotional und instinktgeleiteten Politik
Donald Trumps, die zwar interessante Ergebnisse etwa im Nahen Osten
brachte, aber die Verbündeten verunsicherte, ist das eine beruhigende
Nachricht. Für die Partner der USA wie auch für diejenigen, die eine Art
Kulturrevolution in den USA befürchtet hatten. Realpolitisch ist Bidens
Haltung beispielsweise gegenüber China, dem größten Konkurrenten der
USA. Trotz der brutalen chinesischen Politik gegenüber den Uiguren und
in Hongkong erklärte Biden: 'Wir sind bereit, mit Peking
zusammenzuarbeiten - wenn es im Interesse der USA ist.' Kissinger hätte
das nicht besser sagen können.“
The Observer: Überfällige
Kurskorrekturen.
Bei zwei wichtigen Themen hat der neue US-Präsident
jeweils den richtigen Ton angeschlagen, lobt die linksliberale
Tageszeitung: „Joe Biden und sein Außenminister Antony Blinken wollen
unter anderem die Zwei-Staaten-Lösung mit Palästina und Israel
wiederbeleben, der Donald Trump und Israels Premierminister Benjamin
Netanjahu unbedingt ein Ende bereiten wollten. Es dürfte also eine Phase
zunehmend angespannter Beziehungen [mit Israel] bevorstehen. Dies ist
nicht unbedingt schlecht, wenn so in der Nahostpolitik wieder ein
Gleichgewicht und eine Perspektive geschaffen werden. Darüber hinaus
waren Bidens harte Worte in Richtung Wladimir Putin - 'Die USA werden
Russlands aggressiven Aktionen nicht länger tatenlos zusehen' - eine
überfällige Kurskorrektur.“
Radio Kommersant FM: Rhetorische Härte
ohne Folgen. Einen härteren Kurs gegenüber Russland kann Russlands
liberal-konservatives Onlineportal indes nicht erkennen: „Wenn Trump
Obama vorwarf, dass dieser die Sache mit der Krim und dem Donbass
zugelassen hat, so wirkt Biden jetzt einerseits entschlossener, aber
andererseits beinhalten seine Worte wenig Konkretes. Trump war bereit,
sich mit Putin zum Wohle der USA zu arrangieren, was ihm aber nicht
gelang. Biden erscheint als harter Leader, aber faktisch passiert das
Gegenteil: Kaum richtig im Amt, verlängert der 46. US-Präsident schon
den New-Start-Rüstungskontrollvertrag mit dem Kontrahenten. Wer hier mit
wem besser kann und wer nicht, ist also noch offen. ... Prinzipiell ist
sich Biden mit Trump nur darin einig, dass China die Hauptbedrohung
ist.“
Quelle: eurotopics Presseschau/bpb/ds/08.02.2021
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