Home Panorama Streik! Polens freie Presse wehrt sich gegen Steuer
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Streik! Polens freie Presse wehrt sich gegen Steuer |
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In Polen haben am Mittwoch Dutzende Medienhäuser ihre Angebote ausgesetzt. Zeitungen ließen ihre Titelseiten leer oder veröffentlichten einen offenen Brief unter dem Titel "Medien ohne Wahl". Sie protestieren gegen ein neues Gesetz, das Steuern auf Werbung in den Medien einführt und damit, so die Streikenden, die unabhängige Presse ersticken will. Auch Kommentatoren sind mehrheitlich alarmiert.
POLITYKA: Orbáns Salami-Taktik als Vorbild. Die Steuer ist politisch motiviert, kritisiert Jerzy Baczyński, Chefredakteur vom liberalen Magazin: „Die
PiS konzentrierte sich in der letzten Legislaturperiode auf die
öffentlich-rechtlichen Medien, besetzte sie mit eigenen Leuten und
machte sie zu einem zentral verwalteten Propagandasystem. Jetzt ist die
Zeit für die zweite Stufe des 'Aufräumens auf dem Medienmarkt' gekommen.
... Und zwar gemäß der von Viktor Orbán in Ungarn praktizierten
'Salami-Taktik': Einkommensquellen werden abgeschnitten, Medien werden
rechtlich gegängelt, der Zugang zu Informationen wird gesperrt,
Geldstrafen werden verhängt und neue Steuern eingeführt. Das Ziel
besteht wohl darin, die Eigentümer von Medienunternehmen davon zu
überzeugen, entweder gute Beziehungen zu den Regierenden aufzubauen oder
sich vom Markt zurückzuziehen.“
Le Soir: Der Zug ist längst abgefahren. Warschau würgt unabhängige Kräfte gezielt ab, kommentiert Belgiens liberale Tageszeitung: „Der
Parteienstaat, zu dem die PiS geworden ist, setzt seine Bemühungen
fort, an alle Hebel der Macht und des gesellschaftlichen Einflusses zu
kommen. Er verstärkt seine Angriffe auf bisher unabhängig gebliebene
Gegenkräfte wie lokale Behörden und private Medien. ... Ist dieser harte
Schlag gegen die unabhängigen Medien das Ende der polnischen
Demokratie? Erfahrungen mit anderen 'erfolgreichen Demokraturen' zeigen,
dass es im Grunde vergeblich ist, einen solchen Wendepunkt zu suchen.
Die Justiz, die Medien, Unternehmen und den 'dritten Sektor' (Kultur und
Vereine) zu unterdrücken reicht aus, damit Wahlen zur Formsache werden,
die keinen wirklichen politischen Wechsel mehr bewirken kann. Das
geschieht in Polen seit fünf Jahren.“
wPolityce: Reine Profitgier. Die protestierenden Medienunternehmen kämpfen nicht für ihre Freiheit, glaubt hingegen Polens regierungsnahes Onlineportal:
„Die
Sache ist so einfach wie die Konstruktion eines Dreschflegels: Es geht
nicht um Freiheit, sondern um Geld. ... Es ist verständlich, dass die
Eigentümer von Fernsehsendern oder großen Onlineportalen besorgt sind.
Sie werden künftig weniger in der Tasche haben. ... Sicher, sie haben
das Recht, für ihre eigenen Gewinne zu kämpfen. ... Da sie täglich auf
Manipulationen zurückgreifen, ist es kein Wunder, dass sie dies auch
jetzt tun. ... Die harte Wahrheit ist, dass die meisten Medieneigentümer
für jeden Mist werben, nur um Geld zu verdienen. Deshalb sollten sie
dieses Einkommen mit den Bürgern teilen, mit denen sie es verdienen.“
Quelle: eurotopics Presseschau/bpb/ds/11.02.2021
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