Die Missbrauchs-Skandale und das jüngste Verfassungsgerichtsurteil zur Abtreibung haben in Polen auch eine Diskussion über die Verbindung zwischen katholischer Kirche und Politik allgemein entfacht. Dass Weihnachten kurz bevorsteht, mag ein weiterer Grund sein, weshalb Kommentatoren fragen, welcher Stellenwert der Kirche in Gesellschaft und Politik heute zukommt.
Przewodnik Katolicki: Christliche Ideen gehen unter Politisch sind die
Katholiken heimatlos, kommentiert die katholische Wochenzeitung:
„Keine
Partei in Polen setzt heute die Soziallehre der Kirche um. Und das nicht
einmal, weil keine Partei das will. Die Logik des modernen politischen
Systems lässt es einfach nicht zu. Und es ist kaum zu erwarten, dass
sich etwas zum Besseren ändern wird, weil Katholiken mehr vom
Konservatismus, Liberalismus und Sozialismus als von ihrer eigenen
ideologischen Tradition - der Soziallehre der Kirche - inspiriert
werden. ... Wofür sollten sich Christdemokraten heute einsetzen?
Inspirationen gibt es in den päpstlichen Enzykliken genug, von einer
Reform des Arbeitsrechts (Idee einer Vier-Tage-Woche), über eine
Bildungsreform (mehr Raum für Religion in der Schule) bis hin zur
Eindämmung von Fake-News.“
Rzeczpospolita: Schon lange wenden sich
die Menschen ab Für die liberal-konservative Tageszeitung ist die
Abwendung von der Kirche kein neues Phänomen:
„Hat die Krise unseres
Glaubens nicht viel früher begonnen, als es die soziologische Forschung
zu zeigen scheint? Ist dem Austritt der Jugend nicht die Abwendung ihrer
Eltern vorausgegangen, die sich in vielen kleinen Entscheidungen
äußerte? Hat der polnische Katholizismus nicht schon vor vielen Jahren
zu wackeln begonnen, als es unter dem Einfluss kommunistischer
Entscheidungen eine Situation gab, in der jede zweite Frau eine
Abtreibung hatte und man es schaffte, Familien davon zu überzeugen, dass
zwei Kinder die bestmögliche Lösung sind? ... Damals wäre der richtige
Zeitpunkt gewesen, um die Kirche neu zu denken.“
Quelle: eurotopics Presseschau/bpb/ds/21.12.2020
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