Home Panorama Polen und Ungarn klagen gegen Rechtsstaatsklausel
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Polen und Ungarn klagen gegen Rechtsstaatsklausel |
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Polen und Ungarn haben vor dem EU-Gerichtshof Klagen gegen den Mechanismus eingereicht, der die Zahlung von EU-Geldern an die Einhaltung von Rechtsstaatskriterien knüpft. Kein überraschender Schritt, da die EU-Regierungschefs im Dezember eine Anwendung des Mechanismus erst nach der Prüfung durch den EuGH zugesichert hatten. Praktisch wird sie um Jahre verzögert. Wie schädlich ist die Klage?
LE SOIR:
Polnische Freiheit ist unser aller Freiheit. Der Chefredakteur von Gazeta
Wyborcza, Adam Michnik, publiziert in Belgiens liberaler Tagsezeitung
einen Hilferuf:
„Die Geschichte hat gezeigt, was mit Staaten und
Nationen passiert, die nicht für ihre Demokratien einstehen. Wenn sie
nicht standhaft verteidigt wird, steuert die Demokratie immer auf eine
unaufhaltsame Niederlage zu. Wir werden in Zukunft noch viele weitere
Herausforderungen haben. Die polnischen Behörden schränken die Freiheit
der akademischen Forschung ein und erwägen, Schulbücher neu zu
schreiben. Sie fahren fort, xenophobe und homophobe Hassreden zu
normalisieren und zu verherrlichen. ... Wer den wichtigsten aller
europäischen Werte - die Freiheit - in Polen verteidigt, setzt sich
damit auch für die Europäische Union ein, ihr Projekt und ihr
Versprechen, das für uns alle ein Leuchtfeuer der Hoffnung bleibt.
SÜDDEUTSCHE
ZEITUNG: Das Ziel ist die Autokratie. Die Klage ist nur ein Baustein
einer größer angelegten Kampagne der polnischen PiS-Regierung,
beobachtet der SZ-Korrespondent Florian Hassel:
„Warschau attackiert die
EU auch ansonsten gerne: Das nur noch als Attrappe dastehende polnische
Verfassungsgericht soll bald prinzipiell befinden, dass EU-Recht im
Zweifel nichts, polnisches Recht - oder besser: das, was die Regierung
dafür befindet - alles bedeutet. Es ist ein Sieg der Hardliner,
PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński und Justizminister Zbigniew Ziobro.
Sie verkaufen Widerstand gegen die EU als Widerstand gegen angebliche
Übergriffe auf polnische Kultur, Religion, Traditionen und den Staat an
sich, haben aber nur ein Ziel: die Reste des Rechtsstaats zu beseitigen,
um ungestört autokratisch zu regieren.“
Népszava: Ein Gefallen für
Brüssel. Etwas Positives erkennt an der Klage Ungarns links ausgerichtete
Tageszeitung:
„Die Regierungen in Budapest und Warschau tun Brüssel mit
dieser Klage eigentlich einen Gefallen: Der EuGH kann schwarz auf weiß
klären, welche Zusammenhänge zwischen der Rechtstaatlichkeit und dem
EU-Haushalt bestehen. So werden [die ungarische und polnische Regierung]
die Öffentlichkeit nicht mehr ständig irreführen und keine weiteren
demokratiefeindlichen Maßnahmen ergreifen können, mit der Argumentation,
dass es keine genauen Kriterien für die Rechtsstaatlichkeit gebe.“
Quelle: eurotopics/Presseschau/bpb/ds/15.03.2021
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